Der Anspruch an den Arzt verändert sich. Im „vor-Internet-Zeitalter“ hatte der Arzt vor allem das Wissen voraus, mit welchem er Symptome erklären und behandeln konnte. Heute kann sich jeder Mensch mit Hilfe von Suchmaschinen, mit oder ohne künstliche Intelligenz, ein recht zuverlässiges und verständliches Bild von der jeweiligen Situation machen. Das bringt den Arzt in eine ungewohnte Situation: er muss davon ausgehen, dass sein Patient bereits eine Vorstellung von Diagnose und Therapie hat oder die Behandlungsempfehlung wenigstens nach dem Arztbesuch noch einmal prüft. In einem ersten Reflex wurde von der Ärzteschaft vor diesem, allemal unvermeidlichen Effekt gewarnt. Einzelne Ärzte wollten sogar Patienten nicht behandeln, die sich entsprechend informiert hatten. Heute ist die Sorge vor Dr. Google verblasst, was auch daran liegt, dass die Algorithmen valide Informationen zuverlässig von weniger valide Informationen filtern und dem Patienten gut verständlich präsentieren. Das Sprechzimmer erreicht ein Wettbewerb des Wissens. In diesem Wettbewerb hat der Arzt die Aufgabe, aus dem verfügbaren Wissen auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung die bestmögliche Diagnostik und Therapie herzuleiten und an die aktuellen Befunde anzupassen. Vor allem aber hat er die hervorragende Chance, diese Informationen dem Patienten so zu erklären, dass der Besuch bei einem Arzt -ob in der Praxis oder als Videokonsil- weiter einen Mehrwert bietet. Dafür muss der Arzt seine Kommunikation anpassen. Ist er immer noch ausgebildet, in einer unverständlichen Sprache nur innerhalb des Kollegenkreises zu kommunizieren, muss er heute immer komplexere Zusammenhänge in einfacher Sprache übermitteln. Konnte der Arzt in der Vergangenheit bei jeder Gelegenheit auf die Kompliziertheit der Materie verweisen, so muss er heute damit rechnen, dass es ein Computerprogramm besser erklärt. Das bedeutet auch, dass der Arzt sich mit vorschnellen oder falschen Schlussfolgerungen auseinandersetzen muss, ohne sich dabei in seiner Berufsehre gekränkt zu fühlen. Es mag sein, dass Manchen damit ein Stück des Zaubers des Arztberufs verloren geht. Aber, abgesehen davon, dass diese Entwicklung ohnehin nicht zu stoppen ist: Ist es nicht überfällig, dass Arzt und Patient auf einer informativen Augenhöhe miteinander sprechen, vielleicht sogar „verhandeln“? Rückblickend war es längst Zeit, dass sich die introvertierte Welt der Medizin öffnet. Jeder Patient, der sich einer Behandlung unterziehen muss, leidet doch ohnehin schon unter der Abgabe der Intimsphäre und Selbstbestimmtheit. Ein Arzt, der verständlich über die Situation informiert und dem Patienten dabei die Möglichkeit der Mitbestimmung gibt, hilft dabei, diese Situation zu überwinden. An dieser Stelle kommt die Anforderung an Empathie ins Spiel. Die Fähigkeit, sich in den Patienten hineinzuversetzen und mit einer gesunden Mischung aus Mitgefühl und Objektivität die passenden Entscheidungen und Worte zu finden, wird auf lange Zeit den „menschlichen Ärzten“ vorbehalten sein. Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz werden diese hohen Leistungen des Menschen erst einmal nicht leisten können. Unser heutiges Ausbildungssystem ist ein Ausbildungssystem der vergangenen Jahrhunderte. Es unterscheidet nicht, ob ein Arzt später vorwiegend mit seinen Sinnen, mit seinem Wissen, mit seinen Händen oder mit Maschinen arbeitet. Obwohl der Arztberuf inzwischen so spezialisiert ist, durchlaufen alle Mediziner ein gleichgeschaltes Studium, in welchem sie Zeit und Möglichkeiten verlieren. Vor allem aber setzen die Zugangsvoraussetzungen zum Studium der Humanmedizin viel zu stark auf einen Notendurchschnitt, der vielleicht über kognitive Fähigkeiten, logisches Denken und Grenzbegabungen Auskunft gibt. Empathie, Wertegefüge, Reife der Persönlichkeit und Stressresistenz sind hingegen kaum ein Vorteil für die Vorauswahl in diesen Beruf. Wie viele begabte Menschen können durch diese unsinnige Selektion den ersehnten Beruf nicht ergreifen, wie viele ungeeignete Kandidaten landen hingegen nach 12 Semestern eines harten Studiums in Krankenhäusern, OP-Sälen und Praxen? Warum ist es der Medizin nicht gelungen, sich diesen Veränderungen anzupassen? Wieso ist das „Assesment“ in Berufen wie des Flugzeugpiloten nicht nur wesentlich praxisnaher, sondern auch viel konsequenter? Schon lange berichten erfahrene Ärzte von dem Entsetzen auf beiden Seiten, wenn hochintelligente, aber gänzlich ungeeignete Absolventen auf die Herausforderungen des ärztlichen Alltags treffen. Es ist an der Zeit, endlich die generelle Veränderung und die Diversifizierung des Berufes anzuerkennen und die Auswahlverfahren und Ausbildung anzupassen.
Medizinische Versorgungszentren sollen Patienten behandeln. Patienten, die in Deutschland überwiegend gesetzlich versichert sind. Also in einem System, dass auf die solidarische Einzahlung zur Versorgung im Krankheitsfall setzt. Bei genauer Betrachtung der (Miss-)erfolge von Finanzinvestoren scheint es so, als wenn die Gesetze der sonst so erfolgsverwöhnten Konstrukte nicht mehr aufgehen. „ Mir fehlt bis heute die Fantasie, um das Verhalten des Investors zu verstehen. Wie ich es drehe und wende, am Ende bleiben nur völlig unpassende Erwartungen gepaart mit fehlendem Sachverstand “, beurteilt ein ehemaliger Inhaber eines MVZ die dramatische Entwicklung seines Unternehmens nach dem Verkauf, in das er zuvor über mehr als 12 Jahre alle Kraft und Zeit gesteckt hat. Nach einer ausgiebigen Prüfung des Betriebes erwarb der Investor die MVZ und setzte sein eigenes Management ein. Mit dem Ergebnis, dass die MVZ´s nach nur 6 Monaten Insolvenz anmeldeten. Dahinter steckt System: in der Hoffnung, bislang erträgliche Gewinne aus der medizinischen Behandlung zu vergrößern, waren Investoren bereit, Geld auszugeben. Man war der Meinung, es besser zu können. Die Aussicht, dass das planwirtschaftlich organisierte System der GKV die Risiken von Investoren ebenso minimiert, sorgte für strahlende Augen. Denn, wie üblich, arbeiten diese Investoren nicht mit eigenem Geld, sondern überzeugen andere Investoren, mit zu ziehen. Dazu werden teilweise abenteuerliche Versprechungen gemacht: von einer Skalierung, also dem rasanten Wachstum mit weiteren Praxen und dem Heben von Effizienzreserven, also der Optimierung der Abrechnung und dem Angebot von Privatleistungen ist die Rede. Da wird auch einmal darüber hinweg gesehen, dass eine orthopädische Klinik sehr wenige Synergieeffekte mit einer 300 km weit entfernten Praxis eines anderen Fachgebiets zu tun hat. Oder, dass die meisten ärztlichen Leistungen im EBM-Katalog enthalten sind, eine zusätzliche Berechnung also nicht rechtens wäre. Oder eine Fettabsaugung am Oberschenkel wenig mit HNO zu tun hat. Hauptsache Umsatz, Hauptsache mehr und Hauptsache schnell. Das Problem tritt dann zu Tage, wenn die Investoren auf den Widerstand der Ärzte treffen. Diese Berufsgruppe ist traditionell und aus gutem Grund resistent gegen allzu platte Argumente, die vielleicht dem Unternehmen, aber nicht dem Patienten helfen. In einer solchen Situation die bisherige Geschäftsleitung gegen viel teurere Berater zu ersetzen kann dann schnell zu einer Blockade führen. Das kann, statt zu einem Wachstum, zu einem regelrechten Zusammenbruch der Versorgung und der Umsätze führen. Kommt dann noch hinzu, dass die Investoren nahezu den gesamten Kaufpreis mit hohen Zinsen geliehen haben, übersteigt die Zinslast schnell die Erträge des Betriebes. Dann ist eigentlich nicht das MVZ, ganz sicher jedoch das Konstrukt der Finanzinvestoren gescheitert. Dabei haben einige wenige Finanzinvestoren wohl übersehen, dass in einem solidarischen System auch Solidarität gefragt ist. Daraus bauernschlau eine Rendite zu erzielen, die nicht nur die Versorgung des Patienten und eine gerechte Vergütung der Mitarbeiter, sondern auch noch hochgesteckte Renditeerwartungen privater Investoren sichert, ist in diesem System nicht vorgesehen. In einem solchen System als stille Teilhaber Rendite zu erwarten und gleichzeitig von einem minimalen Risiko profitieren zu wollen, ist nicht unternehmerisch sondern erinnert an die Anfänge der Heuschrecken-Investoren. Dabei gab es genügend Beispiele, bei denen verantwortungsvolle Fonds und Investoren diesen Widerspruch erkannt und nicht investiert haben. Oder sich in medizinischen Bereichen, wie z.B. Zahnmedizin oder ästhetische Medizin, beteiligt haben, die eben nicht den Gesetzen einer solidarischen Finanzierung unterliegen. Natürlich bliebe auch der andere Weg: in einem marktwirtschaftlich organisierten Medizinmarkt wäre nicht nur Platz, sondern ein Bedarf an Finanzinvestoren. Mit freier Preisbildung, selbstständig erwirtschafteten Investitionsmitteln und einem entsprechendem unternehmerischen Risiko wäre ein Modell geboren, welches die innovativen Kräfte der Marktwirtschaft entfalten kann. Ein solches System ist in Deutschland jedoch nicht absehbar. Es ist zu erwarten, dass diese Erfahrung trägt und das System denen vorbehalten bleibt, die es seit Jahrzehnten am Leben halten. Mit allen Vor- und Nachteilen. ***Hinweis: Dieser Beitrag bezieht sich explizit nicht auf einen oder mehrere Finanzinvestoren oder MVZ. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung, die mit Quellen belegt ist, diese jedoch anonym halten muss.***