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Gier passt nicht zur Medizin

Marion Hahn • 22. April 2023

Medizinische Versorgungszentren sollen Patienten behandeln. Patienten, die in Deutschland überwiegend gesetzlich versichert sind. Also in einem System, dass auf die solidarische Einzahlung zur Versorgung im Krankheitsfall setzt. Bei genauer Betrachtung der (Miss-)erfolge von Finanzinvestoren scheint es so, als wenn die Gesetze der sonst so erfolgsverwöhnten Konstrukte nicht mehr aufgehen.


Mir fehlt bis heute die Fantasie, um das Verhalten des Investors zu verstehen. Wie ich es drehe und wende, am Ende bleiben nur völlig unpassende Erwartungen gepaart mit fehlendem Sachverstand“, beurteilt ein ehemaliger Inhaber eines MVZ die dramatische Entwicklung seines Unternehmens nach dem Verkauf, in das er zuvor über mehr als 12 Jahre alle Kraft und Zeit gesteckt hat. Nach einer ausgiebigen Prüfung des Betriebes erwarb der Investor die MVZ und setzte sein eigenes Management ein. Mit dem Ergebnis, dass die MVZ´s nach nur 6 Monaten Insolvenz anmeldeten.


Dahinter steckt System: in der Hoffnung, bislang erträgliche Gewinne aus der medizinischen Behandlung zu vergrößern, waren Investoren bereit, Geld auszugeben. Man war der Meinung, es besser zu können. Die Aussicht, dass das planwirtschaftlich organisierte System der GKV die Risiken von Investoren ebenso minimiert, sorgte für strahlende Augen. Denn, wie üblich, arbeiten diese Investoren nicht mit eigenem Geld, sondern überzeugen andere Investoren, mit zu ziehen. Dazu werden teilweise abenteuerliche Versprechungen gemacht: von einer Skalierung, also dem rasanten Wachstum mit weiteren Praxen und dem Heben von Effizienzreserven, also der Optimierung der Abrechnung und dem Angebot von Privatleistungen ist die Rede. Da wird auch einmal darüber hinweg gesehen, dass eine orthopädische Klinik  sehr wenige Synergieeffekte mit einer 300 km weit entfernten Praxis eines anderen Fachgebiets zu tun hat. Oder, dass die meisten ärztlichen Leistungen im EBM-Katalog enthalten sind, eine zusätzliche Berechnung also nicht rechtens wäre. Oder eine Fettabsaugung am Oberschenkel wenig mit HNO zu tun hat. Hauptsache Umsatz, Hauptsache mehr und Hauptsache schnell.


Das Problem tritt dann zu Tage, wenn die Investoren auf den Widerstand der Ärzte treffen. Diese Berufsgruppe ist traditionell und aus gutem Grund resistent gegen allzu platte Argumente, die vielleicht dem Unternehmen, aber nicht dem Patienten helfen. In einer solchen Situation die bisherige Geschäftsleitung gegen viel teurere Berater zu ersetzen kann dann schnell zu einer Blockade führen. Das kann, statt zu einem Wachstum, zu einem regelrechten Zusammenbruch der Versorgung und der Umsätze führen. Kommt dann noch hinzu, dass die Investoren nahezu den gesamten Kaufpreis mit hohen Zinsen geliehen haben, übersteigt die Zinslast schnell die Erträge des Betriebes. Dann ist eigentlich nicht das MVZ, ganz sicher jedoch das Konstrukt der Finanzinvestoren gescheitert.


Dabei haben einige wenige Finanzinvestoren wohl übersehen, dass in einem solidarischen System auch Solidarität gefragt ist. Daraus bauernschlau eine Rendite zu erzielen, die nicht nur die Versorgung des Patienten und eine gerechte Vergütung der Mitarbeiter, sondern auch noch hochgesteckte Renditeerwartungen privater Investoren sichert, ist in diesem System nicht vorgesehen. In einem solchen System als stille Teilhaber Rendite zu erwarten und gleichzeitig von einem minimalen Risiko profitieren zu wollen, ist nicht unternehmerisch sondern erinnert an die Anfänge der Heuschrecken-Investoren. Dabei gab es genügend Beispiele, bei denen verantwortungsvolle Fonds und Investoren diesen Widerspruch erkannt und nicht investiert haben. Oder sich in medizinischen Bereichen, wie z.B. Zahnmedizin oder ästhetische Medizin, beteiligt haben, die eben nicht den Gesetzen einer solidarischen Finanzierung unterliegen.


Natürlich bliebe auch der andere Weg: in einem marktwirtschaftlich organisierten Medizinmarkt wäre nicht nur Platz, sondern ein Bedarf an Finanzinvestoren. Mit freier Preisbildung, selbstständig erwirtschafteten Investitionsmitteln und einem entsprechendem unternehmerischen Risiko wäre ein Modell geboren, welches die innovativen Kräfte der Marktwirtschaft entfalten kann. Ein solches System ist in Deutschland jedoch nicht absehbar.


Es ist zu erwarten, dass diese Erfahrung trägt und das System denen vorbehalten bleibt, die es seit Jahrzehnten am Leben halten. Mit allen Vor- und Nachteilen.



***Hinweis: Dieser Beitrag bezieht sich explizit nicht auf einen oder mehrere Finanzinvestoren oder MVZ. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung, die mit Quellen belegt ist, diese jedoch anonym halten muss.***

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