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Jeder kann ein bisschen HNO-Arzt sein...

Gero Strauss • 17. Mai 2023

...mit "Alltags-Endoskopen" und Web-Anleitung zur vorläufigen Diagnose

Die Heilkunde von Hals, Nase und Ohr galt lange Zeit als besonders schwierig. Die Organe des Fachs sind im Inneren des Schädels und Halses verborgen und nur durch enge Körperöffnungen erreichbar. Ein besonderer Schwerpunkt der Ausbildung von HNO-Fachärzten liegt deshalb in der Anwendung und Benutzung von Kaltlichtquellen und Stablinsenendoskopen. Erst mit dieser High-Tech war es seit den 1960er Jahren überhaupt möglich, stabile, vergrößerte und gut aufgelöste Bilder des Kehlkopfs, der inneren Nase oder des Trommelfells zu erhalten. Die dafür nötige Technik war entsprechend aufwändig und teuer. Selbst gut ausgestattete Kliniken konnten es sich nur selten leisten, mehr als einen Arbeitsplatz als "Videoendoskopie"-Platz einzurichten. Noch 2009 arbeitete ACQUA Med an der Entwicklung eines neuartigen Untersuchungscockpit, der Office1 der Hersteller Karl Storz (Tuttlingen) und dantschke Medizintechnik (Leipzig) mit.


15 Jahre später ist es genau diese Technologie, die dem Fach ganz neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen bietet. Lichtquelle, Optik, Videokamera können in ein 4 mm kleines Instrument verpackt und über einen USB-Anschluss mit jedem beliebigen Laptop oder Smartphone als Videoendoskop-Einheit benutzt werden. Dabei kostet das "Chip-on-the-tip Endoskop" kaum mehr als 10 EUR. Die Bildqualität lässt sich kaum von der einer Stablinsenoptik und HD-Kamera unterscheiden, deren Kosten allerdings bei ca. 8.000 EUR liegen. Vor allem aber ist so der Blick in die Körperöffnungen nicht mehr nur Ärzten vorbehalten. Bereits heute werben Hersteller mit endoskopisch unterstützten Ohrreinigungsstäbchen. Mit jeder Kamera-App kann das Video des Befundes nicht nur durch den Patienten selber entdeckt, sondern vor allem mit einem Facharzt für HNO diskutiert werden, ohne in jedem Fall dazu die Praxis aufzusuchen. Folgende Erkrankungen eignen sich besonders für eine Tele-Diagnose mit dem COT-Videoendoskop:


- Ohrenschmerzen, Gehörgang-Entzündung, Trommelfellentzündung

- Nasenbeschwerden, Heuschnupfen, Nasenatmungsbehinderung

- Halsschmerzen, Mandelentzündung

- Hautveränderungen im Gesicht


Zu diesen technischen Voraussetzungen, die eine Erfassung der Befunde durch den Patienten, unter Assistenz durch einen Arzt, ermöglichen, kommt heute das digitale Datenbank-Wissen. So können bereits zahlreiche Informationen menübasiert durch den Patienten erfasst werden und mit den Informationen der Fern-Videoendoskopie verknüpft werden. Hinzu kommen Algorithmen der Bildmustererkennung, die aus den Informationen aus Nase, Hals oder Ohr weitere wertvolle Hinweise auf dem Weg zur richtigen Diagnose und Therapie geben können.


Alles bestens, könnte man glauben. Mitnichten, denn diese Innovationen wird zu neuen Diskussionen um die Rolle des HNO-Arztes führen. Bereits jetzt kann man glauben, die Stimmen der Funktionäre des Berufsverbandes raunen zu hören. "Das kann doch nur der HNO-Arzt", "Was da alles passierenkann", "Wie kann man nur ein solches Alleinstellungsmerkmal des HNO-Arztes aufgeben". Doch anders als noch vor 10 Jahren, als das Projekt "Endoscopy Alliance", ein Zusammenschluss zwischen progressiven Hausärzten und HNO-Ärzten wegen des Widerstandes der Funktionäre scheiterte, sind heute die Interessen und Kraftverhältnisse anders gelagert. Es bleib zu hoffen, dass die neuen Technologien auch bald für alle Patienten zugänglich sind.

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