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Stammzellen: Wissenschaft und Chance? Oder Legende und leere Versprechen?

GS208417_20221223191547 • 27. Februar 2023

Vom Labor zur Anwendung in der Praxis

Stammzellen enthalten den Bauplan unseres Körpers. Stammzellen können sich zu jedem vorstellbaren Gewebe entwickeln. Stammzellen sind der Grund dafür, dass wir uns immer wieder erneuern können.


Diese und ähnliche Fakten lernt jeder Mediziner im Studium und wundert sich dann, dass dieses Potential in der Praxis nicht genutzt wird. Dabei sind Stammzellen gar nicht so kompliziert wie z.B. die viel kleineren Moleküle der DNA, die innerhalb dieser Zellen gelagert ist. Der Grund liegt in den zahlreichen Enttäuschungen der vielen Heilversprechen der Vergangenheit, die leider auch eine Vielzahl von Scharlatanen auf den Plan gerufen haben. Für fast jeden Wunsch sollten Stammzellen herhalten und in allen Fällen wurde Patient und Behandler enttäuscht. Deswegen sehen Mediziner das Potential von körpereigenen Stammzellen grundsätzlich sehr kritisch an.


Genau diese Skepsis begleitete uns auch, als im Jahr 2016 Professor Dr. Eckhard Alt von der Isarklinik München und einem eigenem Labor in Houston/Texas sein Restylase® Verfahren beschrieb. Damit konnten Bauchfett mit einem speziellen, von ihm entwickelten Enzym-Mix bearbeitet und so die pluripoenten Stammzellen isoliert werden. Ein bis dahin bestehendes Problem, die Verunreinigung von Stammzelllösungen, schien gelöst. Wir setzen dieses Verfahren, welches damals schon zur Anwendung am Menschen zugelassen war, in den schwersten Formen der Nasenschleimhauterkrankung ein. Patienten, die durch Medikamentenmissbrauch oder Autoimmunerkrankungen quasi über überhaupt keine Schleimhaut mehr verfügten spritzen wir wenige Milliliter von einer rötlichen Flüssigkeit ein, die nachweislich abertausende von körpereigene Stammzellen enthielt. Zunächst blieb das erhoffte Wunder aus, von Monat zu Monat wuchs auch unsere Enttäuschung. Doch dann, ab dem 6 Monaten beobachteten wir mit dem Endoskop kleine Inseln von vitaler Schleimhaut. Also Schleimhaut, die wieder Flüssigkeit produziert, Blutgefäße zeigte und an Volumen zunahm. Dann erst, ganz langsam entwickelten sich diese regenerativen Anteile zu einem kleinen Teppich bis nach etwa 12 Monaten die ersten Patienten auch eine leichte Besserung im Alltag angaben. Der dafür verwendete standardisierte Fragebogen SNOT zeigte schließlich einen klaren Trend nach 18 Monaten, nach denen beinahe alle Patienten der noch kleinen Gruppe von 18 Teilnehmern eine Besserung bemerkten, die zuvor bei keiner Therapie zu beobachten war.


Ein Jahr später, 2017 bat ein weiterer Forscher, Professor Augustinus Bader (Leipzig) darum, ein von ihm entwickelte ABC-Verfahren an der Nasenschleimhaut zum Einsatz zu bringen. Im Unterschied zu Matrase®-Verfahren transportierte Prof. Bader keine Stammzellen, er setze darauf, dass auch in erkranktem Gewebe genügend Stammzellen vorhanden sind, die jedoch -aus irgendeinem Grund- nicht mehr tätig sind. Um diese "Winterschlaf" der Zellen zu beenden hatte er im Tierversuch einen Mix aus Elektrolyten, Vitaminen und Epoetin eingesetzt. Erythropoetin® war bereits 1953 entdeckt und seit den 1985er Jahren zur Behandlung von Blutarmut eingesetzt worden. Es war eigentlich keine Überraschung, dass dieser Eiweißbotenstoff zu einer Regeneration führen kann, denn genau das war sein bisheriges Einsatzgebiet bei der Behandlung der Anämie. Zu den Leistungen von Prof. Bader gehört, dass er sich die Eigenschaften von Erythropoetin bei der Reaktivierung von Stammzellen außerhalb des Blutsystems zu Nutzen gemacht hatte. Bis dahin war nicht einmal bekannt, ob Stammzellen der Nasenschleimhaut überhaupt über Rezeptoren für Erythropoetin verfügen. Doch offensichtlich ja, jedenfalls hatte die von Professor Bader empfohlene Mischung von allesamt bereits seit Jahren zugelassenen Wirkstoffen eine beeindruckende Wirkung bei Nasenschleimhauterkrankungen. Innerhalb weniger Wochen zeigte die betroffenen Patienten einen deutlich besseren Mukosa-Score und SNOT. Das bedeutete in der Praxis, nach 3 Wochen sah der HNO-Arzt bereits die positiven Veränderungen der Nasenschleimhaut, nach etwa 3 Monaten bemerkte der Patient eine deutliche Verbesserung seiner Beschwerden in der Nase.


Inzwischen können wir nach mehr als 2.000 behandelten Patienten die Wirkung der von uns Blue Print Stem Cell Navigation (BSCN®) genannten Technik besser nachvollziehen. Die Inhaltsstoffe scheinen zunächst die Umgebung für eine Aktivierung der Stammzellen zu verbessern und die Zellen empfindlicher für eine Wiederaufnahme der Tätigkeit zu machen. Die eigentlichen Botenstoffe haben es so leichter, die Stammzellen der Schleimhaut zu reaktivieren. Wie kleine Kraftwerke fangen diese an, die Struktur der Schleimhaut mit Gefäßen, Schleimdrüsen, Nerven, Bindegewebe und der bekannten rötlich schimmernden Oberfläche neu aufzubauen. Im besten Fall pendeln die Stammzellen danach in den typischen 48h-Stunden Rhythmus, in dem die Nasenschleimhaut immer wieder neu aufgebaut wird. Ein beeindruckendes Bild zeigt die Wirkungen auf die untere Nasenmuschel nach der Anwendung von BSCN®-haltigem Nasenspray.


Es scheint also so, als wären endlich die ersten Anwendungen von Stammzellbehandlungen -ohne Manipulation der Zellen oder Stammzelltransfer von anderen Menschen- auf dem Weg. Für unser Fach bedeutet das viele zufriedene Patienten, die bis dahin unzählige Mühen und Geld aufgebracht haben, um die teils schweren und schwersten Beschwerden der Nase zu lindern. Inzwischen setzen wir BSCN® in einer weiter entwickelten Form auch bei Operationen der Nase ein, bei denen die Funktion der Schleimhaut ebenfalls eine sehr große Rolle spielt. Wir haben erste (kleine) Erfolge bei der Anwendung der Präparate im Mittelohr bei der Behandlung des Hörsturzes und von Gleichgewichtsstörungen. Und natürlich hat das Verfahren auch schnell Einzug in die Behandlung der alternden Haut gefunden. Mit dem GLOW:REBOOT Programm stehen inzwischen eine Kombination aus lokaler (Einspritzen) und systemischer (Infusionen) Aktivierungen für die Wiederherstellung jugendlicher Haut bereit.


Sind Stammzellen der Schlüssel zum ewigen Leben? Eher nicht, denn auch Stammzellen altern. Nach den bisherigen Vorstellungen haben auch Stammzellen nur eine begrenzte Zahl von Erneuerungszyklen. Sind diese abgelaufen, dann hilft auch der lauteste Weckruf nicht mehr. Dabei haben wir in einigen dieser Fälle von dem Stammzelltransfer nach Prof. Alt profitieren können. Um diese Verfahren klinisch stabil und für die Breite anwendbar zu machen, vergeht noch einige Zeit. Bis dahin gilt es, wie bei allen vielversprechenden Therapieansätzen, die wissenschaftlich-validen Ansätze von den unwissenschaftlichen Marktgeschrei der sozialen Medien zu trennen. Eine Creme mit angebliche, Stammzellenzusatz hat jedenfalls mit den oben geschilderten Ansätzen nichts zu tun...


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