Bei chirurgischen Behandlungen laufen sehr viele Informationen zusammen. Gab es vor 10 Jahren eine Papierakte, vielleicht eine Skizze des Chirurgen und in wenigen Kliniken sogar ein Foto aus dem OP-Gebiet, so sind heute ununterbrochene Video-Streams aus mehreren Videoquellen, Positionsdaten mehrerer chirurgischer Instrumente, Leistungsdaten von kraftgetriebenen Instrumenten, Daten des OP-Computers und Audiosignale ununterbrochen verfügbar.
Ähnlich wie bei einem Flugzeug sind diese Daten in der Regel ohne Nutzen, bilden sie doch den Normalfall ab. Kommt es jedoch zu Abweichungen und Unregelmäßigkeiten sind diese Daten plötzlich von größter Wichtigkeit. Denn mit Hilfe dieser Informationen können Operateur, unabhängige Gutachter und eventuell auch Richter den tatsächlichen Ablauf rekonstruieren. Fragen wie "War der Gesichtsnerv in seinem Verlauf sichtbar?", "Ist das Neuromonitorsystem richtig eingesetzt worden?", "Wurde die Drehzahl des Bohrers in der Nähe des Nervens reduziert und die Spülung gesteigert?", "Hat das Team eine mögliche Schädigung des Nervens bemerkt und die richtigen Konsequenzen getroffen?" sind noch nach langer Zeit objektiv zu beantworten.
Wir Chirurgen fürchten diese neue Transparenz nicht. Im Gegenteil, oft sind es fehlende Informationen oder Beweise, die uns in Auseinandersetzungen um eventuelle Behandlungsfehler in die Defensive bringen. Mit Hilfe der Daten des Surgical Recorder ergeben sich (meist) Umstände, welche zu Gunsten der stattgehabten Therapie stehen und die Vorwürfe entlasten können.
Übrigens, die Aufzeichnung des gesprochenen Worts im Cockpit ist eine Erfindung von ACQUA Med. Hier haben wir im Jahr 2019 begonnen, alle unmittelbar Beteiligten mit Kopfhörern und Headset auszustatten. Neben der Reduktion von Störgeräuschen ist es jetzt erstmals möglich, die eingehenden akustischen Informationen zu gewichten. Das kann z.B. bedeuten, dass in entspannten Phasen der Operation leise Musik läuft, die bei Einlaufen eines Warnsignals, z.B. des Navigationssystems unterbrochen wird. Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern wird ebenfalls lückenlos aufgezeichnet, ein Umstand der zunächst für ein gewisses Unbehagen sorgte. Inzwischen ist es jedoch völlig normal, denn erfahrene Teams wissen, wann höchste Konzentration angesagt ist und wann eine kurze Unterhaltung möglich ist.