Ärzte arbeiten traditionell auf sich gestellt. Anders als z.B. in einem Flugzeugcockpit existieren nur wenige Unterstützungssysteme. Hinzu kommt, dass medizinisches Wissen immer noch in einer analogen Form von Büchern und Publikationen gespeichert wird, die eine Nutzung durch technische Systeme sehr schwer macht. Schließlich ist Medizin ein Gebiet der Traditionalisten. Aus mehr oder weniger guten Gründen wird dem Arzt nach seiner Ausbildung eine Art "Superheldenrolle" zugesprochen: Weiterbildung, Fähigkeitsnachweise und die Behandlung selbst liegen allein in seiner Hand.
Seit 2002 hat Gero Strauss Systeme zur Unterstützung von Ärzten entwickelt. Zunächst im OP-Saal und später für die Sprechstunde. Die Idee einer Automation, also die Unterstützung von Fähigkeiten des Menschen, um das Ergebnis zu verbessern, steht als gemeinsamer Nenner aller Systeme. Ebenso die Vereinbarung, nur wirklich sinnvolle Unterstützung zu schaffen und diese auf einem zunächst niedrigen Automationslevel umzusetzen. Denn Strauss sah frühzeitig die Risiken eines Übervertrauens und des Fertigkeitsverlustes durch medizinische Assistenzsysteme.
Chirurgisches Cockpit OR1
Heute zeigt ein Navigationssystem den HNO-Chirurgen genau an, an welcher Stelle er sich im Schädel befindet. Warnalgorithmen geben Alarm, wenn der Abstand zu einer Risikostruktur, wie z.B. der Hirnhaut oder dem Gesichtsnerv unter eine kritische Distanz fällt. So werden Eingriffe möglich, die bisher wegen der Verletzungsgefahr der Risikostrukturen nicht oder nur mit einem großen Trauma möglich waren.. Bestes Beispiel ist die Eröffnung der Stirnhöhlen durch die Nase, die erst mit Hilfe einer navigierten, abgebogenen Fräse ohne Wegnahme von Teilen des Nasenseptums möglich geworden ist. Die von Strauss als "DRAF IV"-Drainage eingeführte Technik hat vielen Patienten die Qualen einer starken Verkrustung und der Einschränkung des Riechsinns erspart.
Seit 2018 gibt der "Surgical Procedure Manager" dem chirurgischen und anästhesiologischen Team detailliert jeden Schritt im OP vor. Bei Alltagssituation, wie dem Eröffnen von Drainagewegen oder ungewöhnlichen Situationen, wie einer starken Blutung, hilft das System dabei, keinen Schritt zu vergessen, einen kühlen Kopf zu bewahren und das Stressniveau des Chirurgen zu senken.
Medical Cockpit Office1
Im Behandlungszimmer regierte bislang das Prinzip "Black Box". Der Arzt alleine legte die Untersuchungen fest und zog aus den Ergebnissen die Schlüsse. Jeder Arzt nahm den Patienten auf sehr unterschiedlicher Art auf diese Reise mit: manche Ärzte sind von alleine wahre Erklär-Meister, andere können die Schritte nur in unverständlichen Fremdwörtern oder gar nicht erklären. Besonders im Alltag des Untersuchungszimmers zeigt sich auch das Manko moderner Medizin besonders deutlich: mit jedem Tag nimmt das medizinische Wissen zu. Kein Mensch ist in der Lage, diese Mengen an Informationen sinnvoll zu verarbeiten. Manche Ärzte arbeite deshalb mit Informationen, die Jahre alt und teilweise bereits widerlegt sind. Genau an dieser Stelle kommt der "Medical Operation & Decision Manager" ins Spiel. Auf der Grundlage von "Medical Operation Handbooks" gibt das System dem Arzt genau vor, welche Untersuchungen die Basis für eine fundierte Diagnose sind. So kann der Patient jederzeit den Fortschritt, aber auch die Sorgfalt des Arztes einschätzen. Aber viel mehr noch, der MODM gibt zu jedem Zeitpunkt an, welche Schritte nach dem Handbuchwissen sinnvoll und hilfreich erscheinen. So hat der Patient zu jedem Zeitpunkt eine Art "zweite Meinung", die das Vertrauensverhältnis zum Arzt erheblich verbessert.